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Gedanken über das Kleiden


Gedanken und Fragen zu Kleidung mit und ohne Löchern


Vor ein paar Tagen hörte ich in einem Gespräch von der Liebe zu Löchern in der Kleidung.

Natürlich entstandene Löcher wohlgemerkt und nicht absichtlich fabrizierte, weil sie einen Modetrend darstellen. Wobei man diesen durchaus in Frage stellen darf.

 

Liebe zu Löchern in der Kleidung war mir bislang fremd.

Ich kann noch vielleicht irgendwie verstehen, dass man Kleidung trotz Löcher liebt, aber die Löcher selbst? Das bleibt mir verborgen, so sehr ich auch darüber nachdenke.

 

Ich kann auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, dass man alte, oft gewaschene Baumwolle gerne mag, weil sie immer weicher und anschmiegsamer wird, aber Löcher in der Kleidung treiben mich eher in die Verzweiflung, als dass ich sagen könnte, ich mag sie.

Dasselbe gilt für schmierige Stellen, verfilzte, verwaschene Wolle, verdrehte Seitennähte und Ähnliches.

Ich bin eher der Typ Mensch, der versucht, Löcher zu vertuschen - oder gar zu verschönern, sodass niemand auch nur auf die Idee käme, dass darunter ein Loch verborgen liegt, selbst ich nicht mehr.  Ich muss von meiner "Operation" so überzeugt sein, dass ich das Kleidungsstück betrachten kann ohne in der Sekunde an das Loch erinnert zu werden.

 

Ich liebe schöne Dinge. So mag ich gepflegte Kleidung tragen, selbst wenn ich in meinem Garten zugange bin. Ich mag diese Verwahrlosung nicht - und schon gar nicht unter dem Deckmantel der Absicht, des Zeitmangels, des Protestes oder einer ähnlichen Ausrede. Wir leben in einem enormen Überfluss und es ist möglich, sich zu pflegen und auch seine Kleidung, außer natürlich in extremen Situationen. Vielleicht ist die Achtlosigkeit auch diesem Überfluss geschuldet. Man kann es so genau nicht sagen.

 

Ich frage mich, ob die Protesthaltung beim Gegenüber tatsächlich als solche ankommt - oder ist das auch egal? Wozu aber sollte ich sie dann überhaupt haben?

Wir nehmen an unserem Gegenüber eher die Verwahrlosung als den Protest wahr.

 

Auch wenn es hart klingt: Mode ist Manipulation. Wir manipulieren und werden manipuliert.

Wir können uns dem nicht entziehen, nicht in dem Umfeld, indem wir leben.

Also, warum nützen wir die Wirkung der Kleidung nicht für uns? 

Wir sind keinem Diktat mehr unterworfen. Wir müssen uns nicht mehr nach Vorschriften oder gar standesgemäß kleiden. Können wir mit dieser Freiheit umgehen? 

 

Ich bin immer wieder fasziniert von Menschen, die wie aus dem Ei gepellt aussehen - wo alles so stimmig erscheint, dass es in mir ein ruhiges, angenehmes Gefühl auslöst. Solche Erscheinungen ziehen meinen Blick magisch an. Diesen Menschen traut man automatisch mehr zu. Man spürt die Sorgfalt dahinter und bekommt den Eindruck, dass dieser Mensch mit sich im Reinen ist. 

 

Bei denjenigen, die eher nach "ich mache mir nichts aus Kleidung" aussehen, versuche ich die Motivation dahinter zu ergründen. Achtlosigkeit sich selbst gegenüber, im schlimmsten Fall Verwahrlosung ist auch eine Entscheidung, so hart das vielleicht klingen mag. 

 

Spiegelt die Kleidung ein bisschen den Umgang mit sich selbst oder die Meinung über sich selbst?

 

Ob solche oder ähnliche Schlussfolgerungen der Wahrheit entsprechen, sei dahingestellt - es geht hier ausschließlich darum, dass man unweigerlich einen Eindruck gewinnt & sich daraus seine Meinung bildet. Und das macht (fast) jeder von uns.

 



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